„Richtig gute Qualität gibt es nur durch Handarbeit“
Auf dem Ziegenhof ticken die Uhren ein wenig langsamer
„Hier ist einfach immer etwas zu tun, auch wenn wir über den
Winter nicht melken“ erklärt Betriebsleiter Sauter. Das ist gut und wichtig,
denn die Ziegen sind nicht nur Milchlieferanten, sondern vor allem eine
Beschäftigung für psychisch kranke Menschen und Menschen mit Behinderung.
Vierzehn Mitarbeiter gibt es insgesamt auf dem Ziegenhof. So gehören zu Sauters
Aufgaben neben der Leitung auch die Betreuung von zehn WfBler, also
Mitarbeitern, die unter dem Charakter „Werkstatt für Behinderte Menschen“
angestellt sind. Dann gibt es noch eine Mitarbeiterin, die ihr Freies Soziales
Jahr absolviert sowie zwei Kräfte auf 400 Euro Basis. „Unsere FSJler sind
unverzichtbar und ideal läuft es dann, wenn sie uns nach Ende ihres sozialen
Jahres treu bleiben, so wie eine unserer 400-Euro-Kräfte. Diese Frau ist
überall eingearbeitet, ich kann sie genauso problemlos in den Stall schicken
wie auf den Markt. Das ist genial!“
Der Ziegenhof gehört seit 2006 zu den Arbeits- und
Begegnungsstätten ARBEG. Die ARBEG wurde bereits 1988 mit der Idee gegründet,
für benachteiligte Menschen die Gelegenheit zu schaffen, einen Arbeitsplatz,
ein soziales Umfeld und eine Tagesstruktur zu finden. Rund 300 Menschen werden
mittlerweile beschäftigt, sei es im Produktions- und Montagebetrieb, in der
Werkstatt für Menschen mit Behinderung, im Medienteam oder eben auf dem
Biolandbetrieb Ziegenhof Domäne Weil.
Neben der sozialen Komponente ist die Bewirtschaftung nach
ökologischen Richtlinien ein wichtiger Grundsatz für Roland Sauter. „Wir sind
der tausendste Biolandhof in Baden-Württemberg, das war ein richtiger kleiner
Medienrummel,“ schmunzelt er. Der 47jährige staatlich geprüfte Landwirt leitet
seit der Gründung des Ziegenhofs durch die ARBEG die Geschicke des Betriebs.
„Unser Hof liegt ideal, die Tiere haben viel Freilauf und Weidefläche und immer
wieder besuchen uns auch Kindergärten und Schulklassen, um hier einmal zu
erleben, wie so eine Ziege aus der Nähe aussieht.“ Für solche Besuche nimmt
sich der Chef auch gerne Zeit. Das geht so gut, weil auf dem Ziegenhof die
Uhren sowieso ein wenig langsamer ticken. „Unsere Mitarbeiter haben
unterschiedliche psychische und körperliche Schwierigkeiten. Wir versuchen, für
jeden Menschen eine passende Arbeit zu finden, die seinen Fähigkeiten
entspricht.“ Das führt dazu, dass auch einfache Tätigkeiten intensiv angeleitet
und betreut werden müssen. „Das ist ein Arbeiten in kleinen Schritten,
langfristige Planungen oder eigenverantwortliche Tätigkeiten sind bei vielen
nicht möglich.“ Bis zu 50 Prozent seiner Arbeitszeit investiert der Landwirt in
die Betreuung seiner WfBler.
Die Lämmer bleiben 60 Tage bei der Mutter
Zudem haben es die Ziegen auch noch faustdick hinter den
Ohren. Sie drängen sich um alles, was neu und aufregend ist und lassen sich
dabei von kaum einem Hindernis abhalten. Nur wirklich gute Zäune können diese
Neugierde bremsen. „Unsere Ziegen gehen im Sommer auf die Weide, im Winter
werden sie in Laufställen mit Stroheinstreu gehalten,“ erklärt der
Betriebsleiter. Dass die Tiere im Winter nicht gemolken werden, liegt an dem
Rhythmus, den die Ziegen vorgeben. Einmal im Jahr – zwischen Ende Januar und
April – bekommen die Ziegen ihre Lämmer. Die Lämmer werden 60 Tage von den
Müttern gesäugt und dann abgesetzt. Roland Sauter gibt Gerhard, dem Burenbock
einen freundschaftlichen Klaps, während er weiter erzählt: „Durch die Kreuzung
der Milchziegen mit der Rasse Burenziege erreichen wir, dass die Lämmer etwas
mehr Fleisch haben.“ Denn alle männlichen Lämmer und die weiblichen, die nicht
in die Milchziegenherde aufgenommen werden, kommen nach dem Absetzen zum
Schlachter. Die Ziegen werden dann je nach Milchmenge bis November oder
Dezember weiter gemolken. In dieser Zeit nimmt die Milchleistung der Ziegen
kontinuierlich ab. Im Herbst werden sie neu „belegt“, das heißt, dass sie
wieder tragen. Über den Winter stehen die Tiere trocken, regenerieren sich
sechs bis zwölf Wochen lang, bevor der Zyklus neu beginnt und die nächste
Generation Lämmer auf die Welt kommt.
Mittlerweile hat Roland Sauter seine Stallkleidung abgelegt
und inspiziert den Käsekeller. „Unsere
Ziegen geben etwa 600 Liter Milch im Jahr. Daraus wird Frischkäse natur oder
mit verschiedenen Kräutern produziert, Camembert, verschiedene Schnittkäse,
Gouda und Hartkäse. Da die Tagesmilchmenge im Jahresverlauf abnimmt, schwanken
auch die Käse-Mengen. Die Produktion von Frischkäse und Camembert
orientiert sich an der Nachfrage. Die sind nicht so lange haltbar. Schnitt- und
Hartkäse kann längere Zeit gelagert werden.“
Die Käseproduktion wird ausgelagert, die Bittenfelder
Bio-Käserei bei Waiblingen und die Ziegelhütte in Ochsenwang übernehmen den
Teil der Aufgaben, der auf dem Ziegenhof nicht erledigt werden kann. „Aber noch
dieses Jahr wollen wir die Herstellung von Frischkäse selbst übernehmen, die
notwendige Technik dafür steht schon bereit,“ freut sich der Betriebsleiter.
„Für die aufwändige Produktion von Schnitt- und Hartkäse reichen unsere Mittel
leider nicht aus.“ Das Scherflein, das der Ziegenhof zu seinem Einkommen
beiträgt, kommt ganz klar aus der Landwirtschaft. „Die Produktionskosten für
den handwerklich hergestellten Käse sind unwahrscheinlich hoch. Dabei gibt es
die richtig gute Qualität einfach nur durch Handarbeit, nicht durch industrielle
Herstellung im großen Stil,“ ist der Betriebsleiter überzeugt.
Die Herstellung von Bio-Käse ist strengen Regeln unterworfen
Da es sich um Bio-Käse handelt, sind natürlich auch die
Anforderungen an die Haltung der Tiere streng geregelt: Das Futter muss zu mindestens
50 Prozent vom eigenen Hof stammen. Und auch beim zugekauften Futter ist
selbstverständlich nur Biofutter zulässig. Die Ziegenlämmer müssen im Gegensatz
zu den Lämmern konventionell gehaltener Ziegen von der Mutter gesäugt oder für
mindestens 45 Tage mit Biomilchpulver oder Bio-Kuhmilch über Nuckeleimer
getränkt werden. Bioland stuft die Aufzucht mit milchfremden aber deutlich
billigeren Stoffen als unnatürlich ein. Die Ziegen dürfen nicht ganzjährig mit
Grassilage gefüttert werden, im Sommer ist frisches Gras oder Weidegang
vorgeschrieben, im Winter darf Bio-Heu oder Bio-Silage gefüttert werden. Und
auch die Größe der Herde ist reglementiert, es dürfen nicht mehr als 13,3
Mutterziegen je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche und Jahr gehalten werden.
Insgesamt sind Zucht und Fütterung auf die Tiergesundheit ausgerichtet, weniger
auf Hochleistung bei der Milchmenge. Die Milchmenge ist geringer, die
Kostenbelastung je Liter Milch steigt also. Artgerechte Tierhaltung im Sinne
der Bioverbände ist zudem auch durch die Anforderungen an den Umweltschutz
arbeitsintensiver und die Futterwerbung ist aufwändiger als bei konventioneller
Milchviehhaltung. An das Futter werden hohe Anforderungen gestellt, damit die
Milch tauglich für die Käserei wird. Und auch die Käseherstellung selbst
erfordert durch das Verbot von chemischen Zusätzen besondere handwerkliche
Kenntnisse und Fertigkeiten. Durch die geringen Umschlagmengen und die
Abhängigkeit von den Zyklen der Tiere muss eng kalkuliert werden. Das alles
sind die Gründe für den deutlich höheren Preis von Bio-Käse.
Roland Sauter würde sich einen besseren Absatz seines
Ziegenkäses wünschen. Der Ziegenhof ist mittwochs und samstags auf dem
Esslinger Wochenmarkt vertreten und auch auf anderen Bauernmärkten wird der Marktstand
aufgestellt. Und das Sortiment kann sich sehen lassen: Neben den verschiedenen
Käsesorten bietet der Ziegenhof Domäne Weil Wurstwaren von Schwein und Ziegen,
Rauchfleisch von der Jungziegen, Eier, Ziegenmilch, Obst und Gemüse der Saison
aus eigenem Anbau und aus der Region. Und auf Vorbestellung auch Kitzfleisch
vom Ziegenlamm, Schweinefleisch und Gänsebraten. „Schön wäre es, wenn wir noch
ein paar kleinere Zwischenhändler wie Hofläden oder kleine Einzelhändler
hätten,“ so der Betriebsleiter. „Aber das ist einfach schwierig, weil wir nicht
immer die gleichen Mengen liefern können. Dadurch werden wir für die
Zwischenhändler schwer kalkulierbar.“ Die Abgabe der Milch an große
Zwischenhändler kommt für Roland Sauter nicht in Frage: „Der Preis wird dabei
derart gedrückt, dass wird die Produktionskosten damit bei weitem nicht decken
können!“ Also verkaufen sie ihren Käse weiter direkt an ihre Endkunden. Einfach
in ihrem Rhythmus, den die beschäftigten Menschen und die Ziegen vorgeben.
Informationen über die Arbeits- und Begegnungsstätten ARBEG
gibt es unter www.arbeg.de
Kontakt zum Ziegenhof bekommt hier:
Domäne Weil 1-6
73760 Ostfildern
+49 (0)711 / 120 51 06
ziegenhof@arbeg.de