Ziegenkäse vom Bioland-Hof


„Richtig gute Qualität gibt es nur durch Handarbeit“


Wenn Roland Sauter den Ziegenstall betritt, ist er sofort umringt von einer großen Schar überwiegend weißer, neugieriger Damen. 120 Milchziegen mit ihren Lämmern stellen die Mehrheit des Tierbestands auf dem großen Gelände des Ziegenhofs Domäne Weil in Ostfildern vor den Toren Stuttgarts. Aber auch Schweine, Hühner und Gänse nennen den malerisch gelegenen Aussiedlerhof in Halbhöhenlage mit Blick auf das Neckartal ihr Zuhause.

Auf dem Ziegenhof ticken die Uhren ein wenig langsamer

„Hier ist einfach immer etwas zu tun, auch wenn wir über den Winter nicht melken“ erklärt Betriebsleiter Sauter. Das ist gut und wichtig, denn die Ziegen sind nicht nur Milchlieferanten, sondern vor allem eine Beschäftigung für psychisch kranke Menschen und Menschen mit Behinderung. Vierzehn Mitarbeiter gibt es insgesamt auf dem Ziegenhof. So gehören zu Sauters Aufgaben neben der Leitung auch die Betreuung von zehn WfBler, also Mitarbeitern, die unter dem Charakter „Werkstatt für Behinderte Menschen“ angestellt sind. Dann gibt es noch eine Mitarbeiterin, die ihr Freies Soziales Jahr absolviert sowie zwei Kräfte auf 400 Euro Basis. „Unsere FSJler sind unverzichtbar und ideal läuft es dann, wenn sie uns nach Ende ihres sozialen Jahres treu bleiben, so wie eine unserer 400-Euro-Kräfte. Diese Frau ist überall eingearbeitet, ich kann sie genauso problemlos in den Stall schicken wie auf den Markt. Das ist genial!“
Der Ziegenhof gehört seit 2006 zu den Arbeits- und Begegnungsstätten ARBEG. Die ARBEG wurde bereits 1988 mit der Idee gegründet, für benachteiligte Menschen die Gelegenheit zu schaffen, einen Arbeitsplatz, ein soziales Umfeld und eine Tagesstruktur zu finden. Rund 300 Menschen werden mittlerweile beschäftigt, sei es im Produktions- und Montagebetrieb, in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung, im Medienteam oder eben auf dem Biolandbetrieb Ziegenhof Domäne Weil.
Neben der sozialen Komponente ist die Bewirtschaftung nach ökologischen Richtlinien ein wichtiger Grundsatz für Roland Sauter. „Wir sind der tausendste Biolandhof in Baden-Württemberg, das war ein richtiger kleiner Medienrummel,“ schmunzelt er. Der 47jährige staatlich geprüfte Landwirt leitet seit der Gründung des Ziegenhofs durch die ARBEG die Geschicke des Betriebs. „Unser Hof liegt ideal, die Tiere haben viel Freilauf und Weidefläche und immer wieder besuchen uns auch Kindergärten und Schulklassen, um hier einmal zu erleben, wie so eine Ziege aus der Nähe aussieht.“ Für solche Besuche nimmt sich der Chef auch gerne Zeit. Das geht so gut, weil auf dem Ziegenhof die Uhren sowieso ein wenig langsamer ticken. „Unsere Mitarbeiter haben unterschiedliche psychische und körperliche Schwierigkeiten. Wir versuchen, für jeden Menschen eine passende Arbeit zu finden, die seinen Fähigkeiten entspricht.“ Das führt dazu, dass auch einfache Tätigkeiten intensiv angeleitet und betreut werden müssen. „Das ist ein Arbeiten in kleinen Schritten, langfristige Planungen oder eigenverantwortliche Tätigkeiten sind bei vielen nicht möglich.“ Bis zu 50 Prozent seiner Arbeitszeit investiert der Landwirt in die Betreuung seiner WfBler.

Die Lämmer bleiben 60 Tage bei der Mutter

Zudem haben es die Ziegen auch noch faustdick hinter den Ohren. Sie drängen sich um alles, was neu und aufregend ist und lassen sich dabei von kaum einem Hindernis abhalten. Nur wirklich gute Zäune können diese Neugierde bremsen. „Unsere Ziegen gehen im Sommer auf die Weide, im Winter werden sie in Laufställen mit Stroheinstreu gehalten,“ erklärt der Betriebsleiter. Dass die Tiere im Winter nicht gemolken werden, liegt an dem Rhythmus, den die Ziegen vorgeben. Einmal im Jahr – zwischen Ende Januar und April – bekommen die Ziegen ihre Lämmer. Die Lämmer werden 60 Tage von den Müttern gesäugt und dann abgesetzt. Roland Sauter gibt Gerhard, dem Burenbock einen freundschaftlichen Klaps, während er weiter erzählt: „Durch die Kreuzung der Milchziegen mit der Rasse Burenziege erreichen wir, dass die Lämmer etwas mehr Fleisch haben.“ Denn alle männlichen Lämmer und die weiblichen, die nicht in die Milchziegenherde aufgenommen werden, kommen nach dem Absetzen zum Schlachter. Die Ziegen werden dann je nach Milchmenge bis November oder Dezember weiter gemolken. In dieser Zeit nimmt die Milchleistung der Ziegen kontinuierlich ab. Im Herbst werden sie neu „belegt“, das heißt, dass sie wieder tragen. Über den Winter stehen die Tiere trocken, regenerieren sich sechs bis zwölf Wochen lang, bevor der Zyklus neu beginnt und die nächste Generation Lämmer auf die Welt kommt.
Mittlerweile hat Roland Sauter seine Stallkleidung abgelegt und inspiziert den Käsekeller. „Unsere Ziegen geben etwa 600 Liter Milch im Jahr. Daraus wird Frischkäse natur oder mit verschiedenen Kräutern produziert, Camembert, verschiedene Schnittkäse, Gouda und Hartkäse. Da die Tagesmilchmenge im Jahresverlauf abnimmt, schwanken auch die Käse-Mengen. Die Produktion von Frischkäse und Camembert orientiert sich an der Nachfrage. Die sind nicht so lange haltbar. Schnitt- und Hartkäse kann längere Zeit gelagert werden.“
Die Käseproduktion wird ausgelagert, die Bittenfelder Bio-Käserei bei Waiblingen und die Ziegelhütte in Ochsenwang übernehmen den Teil der Aufgaben, der auf dem Ziegenhof nicht erledigt werden kann. „Aber noch dieses Jahr wollen wir die Herstellung von Frischkäse selbst übernehmen, die notwendige Technik dafür steht schon bereit,“ freut sich der Betriebsleiter. „Für die aufwändige Produktion von Schnitt- und Hartkäse reichen unsere Mittel leider nicht aus.“ Das Scherflein, das der Ziegenhof zu seinem Einkommen beiträgt, kommt ganz klar aus der Landwirtschaft. „Die Produktionskosten für den handwerklich hergestellten Käse sind unwahrscheinlich hoch. Dabei gibt es die richtig gute Qualität einfach nur durch Handarbeit, nicht durch industrielle Herstellung im großen Stil,“ ist der Betriebsleiter überzeugt.

Die Herstellung von Bio-Käse ist strengen Regeln unterworfen

Da es sich um Bio-Käse handelt, sind natürlich auch die Anforderungen an die Haltung der Tiere streng geregelt: Das Futter muss zu mindestens 50 Prozent vom eigenen Hof stammen. Und auch beim zugekauften Futter ist selbstverständlich nur Biofutter zulässig. Die Ziegenlämmer müssen im Gegensatz zu den Lämmern konventionell gehaltener Ziegen von der Mutter gesäugt oder für mindestens 45 Tage mit Biomilchpulver oder Bio-Kuhmilch über Nuckeleimer getränkt werden. Bioland stuft die Aufzucht mit milchfremden aber deutlich billigeren Stoffen als unnatürlich ein. Die Ziegen dürfen nicht ganzjährig mit Grassilage gefüttert werden, im Sommer ist frisches Gras oder Weidegang vorgeschrieben, im Winter darf Bio-Heu oder Bio-Silage gefüttert werden. Und auch die Größe der Herde ist reglementiert, es dürfen nicht mehr als 13,3 Mutterziegen je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche und Jahr gehalten werden. Insgesamt sind Zucht und Fütterung auf die Tiergesundheit ausgerichtet, weniger auf Hochleistung bei der Milchmenge. Die Milchmenge ist geringer, die Kostenbelastung je Liter Milch steigt also. Artgerechte Tierhaltung im Sinne der Bioverbände ist zudem auch durch die Anforderungen an den Umweltschutz arbeitsintensiver und die Futterwerbung ist aufwändiger als bei konventioneller Milchviehhaltung. An das Futter werden hohe Anforderungen gestellt, damit die Milch tauglich für die Käserei wird. Und auch die Käseherstellung selbst erfordert durch das Verbot von chemischen Zusätzen besondere handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten. Durch die geringen Umschlagmengen und die Abhängigkeit von den Zyklen der Tiere muss eng kalkuliert werden. Das alles sind die Gründe für den deutlich höheren Preis von Bio-Käse.
Roland Sauter würde sich einen besseren Absatz seines Ziegenkäses wünschen. Der Ziegenhof ist mittwochs und samstags auf dem Esslinger Wochenmarkt vertreten und auch auf anderen Bauernmärkten wird der Marktstand aufgestellt. Und das Sortiment kann sich sehen lassen: Neben den verschiedenen Käsesorten bietet der Ziegenhof Domäne Weil Wurstwaren von Schwein und Ziegen, Rauchfleisch von der Jungziegen, Eier, Ziegenmilch, Obst und Gemüse der Saison aus eigenem Anbau und aus der Region. Und auf Vorbestellung auch Kitzfleisch vom Ziegenlamm, Schweinefleisch und Gänsebraten. „Schön wäre es, wenn wir noch ein paar kleinere Zwischenhändler wie Hofläden oder kleine Einzelhändler hätten,“ so der Betriebsleiter. „Aber das ist einfach schwierig, weil wir nicht immer die gleichen Mengen liefern können. Dadurch werden wir für die Zwischenhändler schwer kalkulierbar.“ Die Abgabe der Milch an große Zwischenhändler kommt für Roland Sauter nicht in Frage: „Der Preis wird dabei derart gedrückt, dass wird die Produktionskosten damit bei weitem nicht decken können!“ Also verkaufen sie ihren Käse weiter direkt an ihre Endkunden. Einfach in ihrem Rhythmus, den die beschäftigten Menschen und die Ziegen vorgeben.


Informationen über die Arbeits- und Begegnungsstätten ARBEG gibt es unter www.arbeg.de

Kontakt zum Ziegenhof bekommt hier:
Domäne Weil 1-6
73760 Ostfildern
+49 (0)711 / 120 51 06
ziegenhof@arbeg.de

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