Jeder weiß es: Milch und Milcherzeugnisse sind gesund. Sie gehören wegen ihres hohen Gehalts an Calcium, Vitamin B2, Phosphor, Protein, Jod und Zink unbedingt zu einer ausgewogenen Ernährung von Kindern und Jugendlichen. Jedem Kind, das in der EU regelmäßig eine Betreuungseinrichtung wie Kindergarten oder Schule besucht, stehen täglich 0,25 Liter Milch zu. Trotz der Förderung von Schulmilch durch die EU geht allerdings der Milchverbrauch an deutschen Schulen seit Jahren zurück.
Der rückläufige Trend beim Verbrauch von Schulmilcherzeugnissen ist – mit Ausnahme von Polen und Schweden – ein EU-weites Phänomen. Betrachtet man die Beteiligung der einzelnen EU-Mitgliedstaaten am Schulmilchprogramm bezogen auf deren Gesamtbevölkerung, zeichnet sich eine klare Rangliste ab: Spitzenreiter sind Schweden, Finnland und Estland. Absolute Nachzügler in Sachen Schulmilchförderung sind auf den Plätzen 25, 26 und 27 die Länder Slowenien, Bulgarien und Griechenland. Deutschland liegt auf dem mittelmäßigen 14. Platz. Hierbei hat das vorhandene Schulsystem in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten großen Einfluss darauf, ob die Schulmilchförderung in Anspruch genommen wird. Ganztagseinrichtungen und Schulen mit Mensen sind Nutznießer der Förderung.
Auch innerhalb Deutschlands lässt sich eine Rangliste berechnen. Das durchschnittliche deutsche Kind verbraucht 2,53 Liter der durch die EU geförderten Schulmilch pro Jahr. Das sind fünf Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauchs an Milch. Spitzenreiter in Sachen Schulmilchverbrauch ist Berlin. Auf den Plätzen zwei und drei finden sich in dieser Liste Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Schlusslicht beim Verbrauch von EU-geförderter Schulmilch ist das Saarland. Im Saarland wird die EU-Förderung überhaupt nicht in Anspruch genommen. Auf Platz 15 (von 16 Bundesländern) liegt Baden-Württemberg. Davor liegen Rheinland-Pfalz und Bayern.
Die Förderung des Milchabsatzes in Kindergärten und Schulen hat in der EU eine lange Tradition
In einigen EU-Ländern liefen bereits in den Nachkriegsjahren erfolgreiche innerstaatliche Aktionen, um Kinder in schulischen Einrichtungen mit Milch zu versorgen. Diese Staaten – dazu gehörten Schweden, Frankreich und Großbritannien – hat sich die EU 1977 zum Vorbild genommen und die EU-Schulmilchförderung ins Leben gerufen.
In Deutschland gab es bis zu Einführung der EU-Förderung keine einheitliche Regelung für die Schulmilchspeisung. In Berlin war es zum Beispiel gänzlich die Privatsache der Betreuungseinrichtungen, ob und wie Milch für die Versorgung der Kinder zur Verfügung gestellt wurde.
Anders war die Situation in der damaligen DDR. Im Rahmen der staatlichen Fürsorge gehörte die Milch für Kinder ganz selbstverständlich in den Schulalltag. Die Eltern bezahlten dafür monatlich einen geringen Beitrag. Täglich wurde die Milch meist von dem zuständigen Hausmeister für jede Klasse bereitgestellt.
In Bayern, das durch die Amerikaner besetzt war, wurde in der Nachkriegszeit festgelegt, dass schulpflichtige Kinder im Alter zwischen sechs und 18 Jahren nach ärztlichem Gutachten eine kostenlose Schulspeisung erhielten, in deren Rahmen Milch und Milchprodukte ausgegeben wurden. Im Jahre 1958 beteiligte sich Bayern an dem von der Bundesregierung verabschiedeten „Grünen Plan“, nach dessen Richtlinien der Bund einen Förderungszuschlag zum Milchauszahlungspreis der Molkereien gewährte. Im Zuge dessen hatte jeder bayerische Schüler täglich Anspruch auf ¼ Liter verbilligte Milch oder Kakao.
Das EU-Förderprogramm wurde zunächst gut angenommen
Letztendlich wurde 1977 das EU-Schulmilchprogramm eingeführt. Ziel des Programms ist, den Kindern einerseits zu ermöglichen, pro Schultag ein Milcherzeugnis zu einem günstigen Preis zu erhalten. Andererseits möchte die EU vermitteln, wie notwendig eine ausgewogene Ernährung ist, zu der auch Milch und Milcherzeugnisse gehören. Das Programm lief recht gut an, die angebotene Beihilfesumme wurde jahrelang zu 100 Prozent von den EU-Mitgliedstaaten in Anspruch genommen. Doch seit 1994 wurde die Beihilfe mehrmals abgesenkt. Von ursprünglich etwa 40 Cent auf derzeit rund 18 Cent je Kilogramm Milch. Und im Zuge dieser Beihilfesenkung ging auch der Verbrauch der EU-geförderten Milch zurück. In Deutschland hat sich der Verbrauch an Schulmilcherzeugnissen von 1993 bis heute um rund 70 Prozent reduziert. Jedoch sind auch hier die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern deutlich zu erkennen. In einigen Bundesländern wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen wurde viel unternommen, um den Rückgang der Verbrauchszahlen zu bremsen. Andere Länder wie zum Beispiel das Saarland sind ganz aus dem EU-Programm ausgestiegen und organisieren die Versorgung ihrer Schulkinder anderweitig.
Die Gründe für den Absatzrückgang sind vielfältig
Doch woran liegt es, dass die wertvolle Milch, die einerseits so gesund für die Entwicklung unserer Kinder ist und andererseits von unseren Landwirten mit so hohem Aufwand erzeugt wird, nicht den Absatz findet, den sie verdient? Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Neben der Absenkung der Beihilfen scheint hierbei auch das hohe Maß an Bürokratie dafür verantwortlich zu sein, dass die EU-Förderung an Attraktivität verliert. Es sind durch die EU Höchstpreise festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen. Die Einhaltung der Verpflichtungen wird kontrolliert und bei Missachtung droht den Vertragspartnern die Rückzahlung der geleisteten Beihilfe. In vielen Schulen fehlen die notwendigen Kühleinrichtungen für Milchprodukte und eine Anschaffung lohnt sich häufig nicht. In ländlichen Gebieten übersteigen nach Aussage von Molkereien die Kosten für die komplizierte Logistik oft die Höhe des Milchzuschusses, so dass nicht kostendeckend oder gar gewinnbringend gearbeitet werden kann. Auch die Frage der Verpackung und das daraus entstehende Müllproblem halten viele Schulen davon ab, in das Milchprogramm einzusteigen. Und die eingeschränkte Palette der durch die EU geförderten Produkte trifft oft nicht den Geschmack der Schüler. Zudem geht in vielen Familien das Wissen um eine gesunde Ernährung verloren. Die Schüler müssen aktiv darüber informiert werden, wie wichtig eine gesunde Ernährung ist. Deutschland und die EU haben die Ursachen für die Probleme erkannt und die Schulmilchverordnung diesbezüglich überarbeitet und zum Sommer 2008 neu gefasst.
Die aktuellste Studie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) nennt sich „Schulmilch im Focus“ und wird in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim BMELV, Dr. Gerd Müller, sagt dazu: „Erste Zwischenergebnisse belegen, dass sich bei zusätzlicher Verbilligung und bei kostenloser Abgabe der Schulmilcherzeugnisse deutliche Steigerungen der Beteiligung erzielen lassen. Je aktiver Milchindustrie und Verantwortliche in den Schulen den Kindern Milcherzeugnisse anbieten und je mehr Ernährungsaufklärung im Unterricht betrieben wird, desto besser sind die Ergebnisse.“ In den Schuljahren 2008/2009 und 2009/2010 werden an insgesamt 474 Schulen mit rund 80.000 Schülern Faktoren ermittelt, wie auf die künftige Schulmilchpolitik eingewirkt werden kann.
Das Problem geht alle etwas an
Auch seitens der Milcherzeuger werden Anstrengungen unternommen, um Kindern den Zugang zu Milch und Milcherzeugnissen zu ermöglichen und zu erhalten. In einer eigenen GmbH des Vereins „Deutsche Milcherzeuger im Unternehmen Milch e.V.“ sollen Werbung und Service rund um die Schulmilchversorgung vereint werden. Schulen und Molkereien sollen von Bürokratie entlastet und Finanzierungslücken geschlossen werden. Milchmänner und Milchfrauen werden mit Kühlfahrzeugen jeweils um die 20 bis 30 Schulen und Kindergärten beliefern. Mit Hilfe eine Schulmilch-Homepage möchten die Milcherzeuger eine zentrale Anlaufstelle schaffen und somit die Bürokratie und den Aufwand so gering wie möglich halten. Hausmeister, Eltern und Lehrer, die sich um die Verteilung der Milch und die Entsorgung des Abfalls beziehungsweise Leerguts kümmern, sollen über die GmbH „entlohnt“ werden. Und auch um die Bildung möchten sich die Milcherzeuger künftig kümmern. In einer bundesweiten Koordinationsstelle für die Fachschulung von Landfrauen, Lehrerfortbildung und Aufklärungsarbeit sollen „Ernährungsteams“ dafür qualifiziert werden, die notwendigen Informationen in die Schulen und Kindergärten zu bringen. Finanzieren soll sich das Vorhaben über Spenden und sogenannte „Schulmilchpatenschaften“. Hierbei sollen Geschäftspartner der Milcherzeuger, Landkreise, Molkereien, Vereine und Politiker dazu ermuntert werden, eine finanzielle Verantwortung für die Fortführung des Schulmilchprogramms zu übernehmen. Den Milcherzeugern ist es wichtig, die Brücke zwischen Schule und Urproduktion zu erhalten und zu beleben.
Derartige Initiativen werden vom BMELV unterstützt. Staatssekretär Müller meint dazu: „Diese positiven Erfahrungen machen deutlich, wie wichtig es ist, dass Verantwortliche in Bund, Ländern und Gemeinden sowie Milcherzeuger und die Milchindustrie beständig gemeinsame Anstrengungen unternehmen, Milch und Milcherzeugnisse und auch Informationen zu einer bedarfsgerechten Ernährunge in die Schulen zu bringen, um sie dort den Schülerinnen und Schülern als wichtigen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung anbieten zu können.“
(Quellen: BMELV Referat 423; Deutsche Milcherzeuger im Unternehmen Milch e.V.)
Schulmilchbeteiligung je Kind pro Bundesland, Schuljahr 2008/2009
Bundesland | Verbrauch pro Kind (l/J) |
Berlin | 5,50 |
Nordrhein-Westfalen | 4,78 |
Thüringen | 4,76 |
Sachsen | 4,38 |
Sachsen-Anhalt | 4,15 |
Mecklenburg-Vorpommern | 3,83 |
Berlin-Brandenburg | 3,34 |
Bremen | 3,02 |
Hamburg | 2,49 |
Niedersachsen | 2,34 |
Schleswig-Holstein | 1,88 |
Hessen | 1,50 |
Bayern | 0,70 |
Rheinland-Pfalz | 0,68 |
Baden-Württemberg | 0,34 |
Saarland | 0,00 |
Quelle: BMELV (Umrechnungsfaktor g:l entspr. 1030:1)
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