Im Herbst 2009 schlugen die Wellen hoch: Landwirte protestierten gegen den niedrigen Milchpreis und manche Bürger konnten das nicht nachvollziehen. Wie kann es sein, dass im Zeitalter subventionierter Landwirtschaft der Bauer trotz Landbesitz und Privilegien am Existenzminimum kratzt? Ein Erklärungsversuch.
Einnahmen: 34 Cent pro Liter, Ausgaben: 40 bis 55 Cent pro Liter
Alexandra Bär, Agraringenieurin und Fachberaterin beim Milchviehberatungsdienst Reutlingen / Ulm e.V., hat erst einmal zwei grundsätzliche Dinge zu sagen: „Das ist ein komplexer Themenbereich.“ Und: „Es handelt sich um hochsensible Daten.“ Dennoch kann sie mit Faustzahlen und einer Musterrechnung ein wenig Aufklärung betreiben. „Tatsache ist, dass die meisten Betriebe mit den Erlösen aus der Milchviehhaltung, die sich aus Milchverkauf und Nebenerlösen zusammensetzen, ihre Kosten nicht decken können“, sagt Frau Bär.
Um einen Liter Milch zu produzieren, hat der Landwirt folgende Ausgaben:
Die sogenannten variablen Kosten, die sich im wesentlichen aus Posten wie Kraftfutter, Tierarzt, Ergänzung des Tierbestandes, Strom, Wasser und anderen Dingen zusammensetzen, belaufen sich auf etwa 20 Cent pro Liter Milch. Dazu kommen noch die Kosten für das Grundfutter. Diese beinhalten unter anderem die Ausgaben für den Sprit und die Düngemittel. Zählt man dazu noch die Kosten für die Faktoren „Arbeit“, „Kapital“ und „Boden“, die Festkosten für Gebäude und Technik, den Lohnansatz und die Kosten für die Milchquoten, so kann man, vereinfacht gesagt, für einen Liter Milch einen finanziellen Aufwand von etwa 50 Cent veranschlagen. „Hier ist die Spannbreite natürlich sehr groß“, erklärt Alexandra Bär. „Der eine Betrieb hat neu gebaut und zahlt noch große Darlehen ab, der andere Betrieb hat komplett abgeschriebene Stallungen und somit weniger Festkosten.“ Auch bei den variablen Kosten könne die Spannbreite zwischen den Betrieben über 10 Cent pro Liter Milch ausmachen, gibt die Agraringenieurin zu bedenken. Aber sie kann sich auf einen Bereich festlegen: Um einen Liter Milch zu produzieren, entstünden dem Erzeuger Vollkosten zwischen 40 und 55 Cent.
Dem gegenüber gestellt werden nun die Einnahmen, die der Landwirt mit seiner Milch erzielt:
Wenn zum Beispiel eine Molkerei den Landwirten für den Liter Milch 22 Cent netto bezahlt, so ist das für den Milcherzeuger ein Milcherlös von 24 Cent brutto. Dazu wird noch der Nebenerlös gerechnet, dass ist das Geld, das der Landwirt für den Verkauf von Kälbern und Altkühen bekommt. Außerdem wird der Düngerwert von den wirtschaftseigenen Düngern in der Vollkostenrechnung mit angesetzt. Die Nebenerlöse liegen bei 10 Cent pro Liter Milch. Unter dem Strich erhält ein Landwirt demnach 34 Cent für einen Liter Kuhmilch. Derzeit hat also ein Milchviehbauer umgerechnet auf den Liter Milch 34 Cent Leistungen, die den 40 bis 55 Cent Vollkosten je Liter Milch gegenüberstehen.
Zusammengefasst bedeutet das: Die Milcherzeugung deckt nicht die entstehenden Kosten.
Der Vollständigkeit halber fügt Alexandra Bär abschließend hinzu, dass die Prämienzahlungen bei der Vollkostenrechnung nicht berücksichtig worden seien. Dafür seien die Zahlungsansprüche der einzelnen Betriebe zu unterschiedlich.
Die Ursachen für den schlechten Preis
In der freien Marktwirtschaft heißt es: Das Angebot regelt die Nachfrage, die Nachfrage regelt den Preis. Zeichnen dann die Landwirte nicht selbst verantwortlich für ihre finanziellen Schwierigkeiten?
Wahrscheinlich muss man, um diesen Sachverhalt einigermaßen nachvollziehen zu können, erst mal in die Vergangenheit schauen.
Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg führte dazu, dass die Menschen in die Städte auswanderten und die Landwirte keine Arbeitskräfte mehr zu Verfügung hatten. Viele kleine Betriebe mussten aufgeben, die größeren konnten die frei gewordenen Flächen erwerben und somit ihr Kapital erhöhen. Maschinen ersetzten die fehlenden menschlichen Arbeitskräfte. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche je Betrieb stieg stetig an, dabei sank die Anzahl der Betriebe. Die Mechanisierung ermöglichte, dass die Betriebe in ihren Gebieten immer erfolgreicher wurden. In den Pflanzenbaubetrieben wurden zum Beispiel die Saatgutsorten sowie die Dünge- und Pflanzenschutzmittel stetig verbessert und somit der Ertrag gesteigert. In der Tierhaltung führten Zuchtfortschritte, eine verbesserte Fütterung und eine intensivere Betreuung durch den Tierarzt zu deutlichen Leistungssteigerungen. Kurzum, den wenigen Landwirten, die es noch gab, ging es gut. Die Nachfrage aus den Städten wuchs ständig an, die Bauern verkauften ihre Produkte zu sehr guten Preisen und produzierten immer mehr.
Milchseen und Butterberge entstanden.
Die Politik schaltet sich ein
An dieser Stelle griff die Europäische Gemeinschaft (EG) ein. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zielt darauf ab, den Verbrauchern angemessene Preise und den Landwirten ein angemessenes Einkommen zu gewährleisten. Der europäische Agrarmarkt wurde reglementiert. Im Falle der Milch führte die EG im Jahre 1984 eine Quotenregelung ein. Die Milchquoten wurden geschaffen. Diese Milchquote hat die Aufgabe, die Milchproduktion in den Mitgliedstaaten zu beschränken. Im Rahmen der Garantiemengenregelung wurde jedem Mitgliedstaat eine feste Produktionsquote für Milch zugewiesen. In Deutschland wurde diese Quote auf die einzelnen milcherzeugenden Betriebe verteilt, so dass die Quoten seither einzelbetrieblich verwaltet werden. Der Landwirt musste die Quote kaufen. Das bedeutet also, je mehr Milch der Bauer erzeugen wollte, desto mehr musste er für die Quote ausgeben. Dieses Kapital muss investiert werden. Das heißt, für den Betrieb entstanden Kosten durch Abschreibung und Zinsaufwand. Der Landwirt durfte einerseits nicht so viel erzeugen, wie er wollte und aufgrund seiner betrieblichen Möglichkeiten konnte. Andererseits musste er für diese Regelung investieren. Für diese Einschränkung entschädigte der Staat den Milcherzeuger mit einer Zuzahlung. Es musste gewährleistet sein, dass das Einkommen des Landwirtes trotz der Einschränkungen, die von staatlicher Seite gemacht wurden, dem Durchschnittseinkommen der Bürgerschaft entsprach.
Dieser Eingriff der Politik in den Markt führte nicht zu dem erhofften Erfolg, der Preis konnte sich nicht stabilisieren. Ein Grund dafür ist, dass die verfügbaren Quoten seit Einführung der Garantiemengenregelung fast jedes Jahr von verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten überschritten worden sind. 2006 wurden EU-weit 774.000 Tonnen Milch mehr produziert, als die Milchquotenmenge vorsah. Dafür mussten von den dafür verantwortlichen Ländern Strafabgaben in Höhe von 221 Mio. Euro gezahlt werden. Ein anderer Grund ist, dass von Anfang an die ausgeteilte Quote über dem europaweiten Milchverbrauch lag. Dieser überschüssige Teil der Erzeugung wurde weitgehend subventioniert als Futtermittel, zum Zwecke der industriellen Verwertung und in Form von Drittlandsexport abgesetzt.
Abschaffung der Milchquoten führt zu einer intensiven Diskussion
Die EU hat die Milchquotenregelung bei ihrer Einführung im Jahre 1993 übernommen, die GAP wurde im Laufe der Jahre mehrfach reformiert. Die letzte grundlegende Reform erfolgte im Juni 2003. Im Bezug auf die Milcherzeugung wurde dabei beschlossen, dass die Quoten schrittweise erhöht und im Wirtschaftsjahr 2014/2015 abgeschafft werden.
In der seither entbrannten Diskussion argumentieren die Befürworter der Abschaffung, dass hohe Quotenkosten wachstumswillige Betriebe ausbremsten. Außerdem hätte die Quotenregelung nicht den gewünschten Erfolg erzielt, der Markt konnte sich nicht stabilisieren. Ein freier Wettbewerb zwischen den Milcherzeugern würde von der Quotenregelung verhindert werden.
Gegner der Abschaffung meinen, dass die Milchquote nur deshalb nicht zu einer Preisstabilisierung geführt hätte, weil sie nicht konsequent durchgesetzt worden sei. Die Mengenbegrenzung müsse dem Verbrauch angepasst und eine Überproduktion solle stärker sanktioniert werden.
Bei Abschaffung der Milchquote ist die völlige Liberalisierung des Milchmarktes zu erwarten und damit ein Absinken des Milchpreises auf Weltmarktniveau. Dieses Niveau ist so niedrig, dass sehr viele Betriebe dann nicht mehr kostendeckend wirtschaften können und die Milchviehhaltung aufgeben müssten. Zudem ist die Milchquote ein Vermögenswert. Bei Abschaffung der Quote würde dieser Vermögenswert ersatzlos aufgelöst und die Betriebe erhielten keinen Ausgleich.
Landwirtschaft wird subventioniert
Knapp 43 Prozent des gesamten EU-Budgets gehen in den Agrarfonds. Das sind jährlich um die 55 Milliarden Euro. Jedermann kann sich darüber informieren, was „Bauer Mustermann aus Musterhausen“ an Subventionszahlungen erhält. Das schürt Neid und führt zu Unverständnis darüber, warum täglich in der Zeitung zu lesen ist, dass die Bauern pleite gehen. Hier muss zunächst aufgeschlüsselt werden, wie dieses Geld fließt: Nach Deutschland gehen gute sechs Milliarden Euro an Agrarsubventionen. Den größten Teil dieses Geldes streichen aber nicht die Landwirte ein, sondern Nahrungsmittelkonzerne und große Agrar-Industriebetriebe. Größter deutscher Empfänger ist demnach Südzucker in Mannheim mit 34,4 Millionen Euro. Auf den folgenden Plätzen finden sich neben dem Land Schleswig-Holstein mit 10,3 Millionen Euro Förderung Großfirmen wie „Emsland-Stärke“ (über acht Millionen Euro), der Agrarhändler „August Töpfer“ aus Hamburg (7,4 Millionen Euro), Süßigkeitenhersteller „Storck“ (3,3 Millionen Euro) und die Molkerei „Campina“ (1,9 Millionen Euro).
Preise zum Weltmarktniveau führen zu Zuständen auf Weltniveau
Für die Landwirte ist die Situation heute folgendermaßen: Die Produktionskosten in der Landwirtschaft steigen stetig an. Zum Beispiel waren im Frühjahr 2009 die Preise für Düngemittel und Kraftstoff extrem hoch. Gleichzeitig fällt der Preis für die Milch, die der Landwirt erzeugt, seit geraumer Zeit ins Bodenlose. Die deutsche Landwirtschaft ist mit den hiesigen Produktionskosten für Futter, Technik und Arbeitskraft nicht in der Lage, bei den zu erwartenden Weltmarkt-Preisen mitzuhalten. Außerdem wirtschaften die deutschen Bauern auf einem hohen Standard, der erhalten bleiben muss. Dieser hohe Standard umfasst strenge Umweltschutzbestimmungen, Verbraucher- und Tierschutzverordnungen und einen sozialen Standard, der in der EU zu einem der höchsten gehört. Die Politik möchte diesen Standard erhalten und die restlichen EU-Länder an dieses Richtmaß heranführen. Deshalb greift sie weiter ein.
Der Agrarmarkt ist längst zu einem Weltmarkt geworden. Damit die EU-Agrarprodukte wettbewerbsfähig bleiben, ohne ihre angestrebten oder bereits bestehenden hohen Umwelt-, Verbraucherschutz- und Tierschutzstandards zu verschlechtern, hat Europa den Agrar-Stützpreis auf Weltmarktpreisniveau gesenkt und zahlt dafür einen Ausgleich an die Landwirte. Diese Leistungen durch den Staat können nur mit Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erbracht werden. Hier greift der Staat mit sehr strengen Kontrollen hart durch. Die Landwirte werden regelmäßig, häufig und unangekündigt kontrolliert, ob sie die Gegenleistung erbringen, für die sie die öffentlichen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Bei Verstößen gegen die Auflagen werden unverzüglich, ohne Fristen für eine nachträgliche Gewährleistung der subventionierten Leistungen, die Zuzahlungen gekürzt. Und das dauerhaft und in einer empfindlichen Höhe.
Die Landwirte erbringen neben der Erzeugung von gesunden und vielfältigen Lebensmitteln noch weitere Leistungen für die Gesellschaft. Sie erzeugen nachwachsende Rohstoffe und stellen Biomasse bereit, die als erneuerbare Energie genutzt wird. Sie übernehmen als Landnutzer eine besondere Verantwortung für den Erhalt von Natur und Umwelt. Kultur-, Natur- und Erholungslandschaften werden von den Bauern erhalten, gepflegt und gestaltet. Betrachtet man sich die Details, dann wird klar, dass der deutsche Landwirt schon lange nicht mehr von dem lebt, was er produziert. Vielmehr leistet er der Bevölkerung einen Dienst. Diesen Dienst leistet er an 365 Tagen im Jahr, sieben Tage die Woche, das sollte angemessen honoriert werden.
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