Lasst die Sau raus! Unterer Lindenhof macht aus der Topinambur-Not eine Schweinehaltungs-Tugend

Wer einmal Topinambur gepflanzt hat, bekommt ihn nur schwer wieder los. Diese Erfahrung machten auch die Hohenheimer Pflanzenbauer um Professor Claupein, die für einen Versuch auf dem Versuchsgut Unterer Lindenhof in Eningen Topinambur als alternative Bioenergiepflanze angebaut haben. Zum wiederholten Mal wurden dort Schweine in Koppelhaltung eingesetzt, um die im Boden verbleibenden Knollen zu vertilgen.

Diese Schweine sind glücklicher Schweine: Sie dürfen voll die Sau rauslassen und einen Acker umgraben. Hintergrund für den Topinambur-Versuch war, eine Alternative für Mais zu finden. Denn der alleinige Einsatz von Mais „führt oft zu pflanzenbaulich und ökologisch problematischen Fruchtfolgen beziehungsweise zu Monokulturen“, heißt es in der Versuchsbeschreibung. Für den Einsatz in der Biogasanlage werden allerdings lediglich die oberirdischen Teile von Topinambur verwendet. Leopold Peitz, Leiter des Versuchsguts Unterer Lindenhof, weiß Einzelheiten: „Natürlich gingen die Wissenschaftler auch der Frage nach, ob es für die vitamin- und mineralienreichen Knollen eine praxisrelevante Verwendung gibt. Dabei zeigte sich, dass es kaum möglich ist, die Topinambur-Knollen mit herkömmlicher Kartoffelerntetechnik aus dem Boden zu entfernen. Ernte und Säuberung dieser unterirdischen Proteinspeicher sind also mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Verbleiben die Knollen jedoch in der Erde, ist der Acker für alle folgenden Kulturen nicht verwendbar, denn Topinambur ist winterhart und vermehrungsfreudig. Der neue Austrieb im Folgejahr macht die Verwendung des Ackers für andere Kulturen unmöglich.“ So wurde aus der Not eine Tugend gemacht und im Rahmen eines kleinen Projekts der wildwuchernden Topinambur-Plage tierische Helfer an den Hals gehetzt: Schweine in Koppelhaltung.
Ab Ende Juni dürfen jeweils sechs Mastschweine aus dem Bestand des Unteren Lindenhofs ihren Sommer im Grünen verbringen, nachdem sie im Frühjahr durch entsprechende Fütterung auf die Koppelhaltung konditioniert wurden.
Leopold Peitz denkt noch weiter: „Spannend wäre zu untersuchen, ob sich durch die Koppelhaltung auf vorjährigen Topinamburäckern das Fleisch dieser Tiere besonders auszeichnet. Mal sehen, was sich daraus machen lässt.“ Und abwegig ist dieser Gedanke nicht, denn die Topinambur-Knolle gilt wegen ihres hohen Gehalts an Inulin besonders förderlich für die Darmgesundheit und ist zudem reich an Kalium, Eisen und B-Vitaminen.
Fakt ist bisher, dass die Schweine nicht nur glücklich und artgerecht ihren Sommer verbringen, sondern dabei noch ganze Arbeit leisten. Denn die wissenschaftlichen Untersuchungen sprechen eine klare Sprache: Nach einer Rodung mit dem Kartoffelroder verblieben im letzten Jahr durchschnittlich 70 Topinambur-Knollen pro Quadratmeter in der Erde, auf der Schweinekoppel kamen gerade noch drei Knollen davon. Zur Zeit wird untersucht, ob sich die Zahlen bestätigen. Den Schweinen ist die Wissenschaft wurscht, sie graben einfach weiter.

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