Aus Kindern werden Leute


Unser Ältester hat es nun geschafft, er hat den annähernd höchsten Reifegrad erreicht, den ein Mensch erringen kann: Er ist ABC-Schütze. Mein Sohn weiß alles, er kann alles und versteht eigentlich auch nicht so ganz, warum er in der Schule noch Mathematikunterricht haben wird. „Rechnen kann ich ja schließlich schon…“. Dummerweise kommen die Themen, die ihn wirklich interessieren (und mit denen er durch seine Fragen die Mutter regelmäßig in Erklärungsnöte bringt) – also die wichtigen Dinge wie Biochemie, Quantenphysik und Astronomie – erst irgendwann in weit entfernten Jahrgangsstufen.
In seiner Not klärt er, quasi um sein inneres Erkenntnis-Vakuum mit irgend etwas Sinnvollem anzufüllen, seine Schwestern über das Leben auf. „Der Löwe ist mein Lieblingstier“, bekannte meine Mittlere neulich auf einer Autofahrt. „Löwen leben in Afrika“, war die prompte Antwort meines allwissenden Sohnes. Darauf erklärte die kleine Schwester: „Afrika ist meine Freundin!“ --- „Du Dummerle, Afrika ist doch ein Dorf!“ Ja, dieser Kerl weiß einfach alles. Und manchmal stellt es der heimlichen Lauscherin – also mir – auch mal die Nackenhaare, wenn der kleine Weise seinen Schwestern aus dem Guinness-Buch der Rekorde vorträgt: „Die größte Nacktschnecke der Welt lebt in den USA und ist 1 897 Meter lang!“ Uaah!
Wie schön war es doch für den Papa, als der Sohnemann noch vor wenigen Jahren mit absoluter Überzeugung gesagt hat: „Wenn ich groß bin, werd ich Bauer.“ Doch mittlerweile ist Traktorfahren nichts Spannendes mehr, Kühe und Pferde sind Alltag und somit nebensächlich. Neulich sagte der Sprössling jedoch einmal wieder: „Wenn ich groß bin, werd ich Bauer -“ mein Mann frohlockte bereits innerlich, als das Kind den Satz beendete: „- Maschinenbauer“.
Ein Kind ist in diesem Stadium seines Lebens ziemlich hin- und hergerissen. Nicht mehr klein aber auch noch nicht groß. Im Kindergarten bislang der Älteste, in der Schule dann der Jüngste, der sich überhaupt nicht auskennt. Die Eltern werden ein wenig lästig, aber ohne geht es nicht. Das führt bei etlichen Familien zu viel Diskussion darum, wer eigentlich das Sagen hat, wo die Grenzen sind, ob diese sich nicht doch noch ein wenig verschieben und ausdehnen lassen. Gelten die bisherigen Spielregeln nur für die Kleinen? Oder müssen sich die Fast-Erwachsenen etwa auch daran halten?
Aber Vorschulkinder haben im Gegensatz zu Kleinkindern doch auch bereits gewisse Einsichten. Sie können ihren Verstand einsetzen und erfassen durchaus Situationen, die über ihren eigenen Tellerrand hinaus gehen. In solch einem Anflug von Empathie sagte mein Sohn, als er und ich einmal erschöpft von einem Tag voller Kampf und Auseinandersetzung nebeneinander auf der Terrasse saßen: „Oh Mama, wie wird das erst, wenn ich in die Pubertät komme…“.

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