In der Jungsteinzeit tummelten sich die Vorfahren der heutigen Wasserbüffel auch auf der Schwäbischen Alb. Dann waren sie für etliche Jahrtausende von der mitteleuropäischen Bildfläche verschwunden. Ein schwäbischer Rinderzüchter holte die großen schwarzen Tiere mit den geschwungenen Hörnern im Jahr 2005 wieder zurück. Zusammen mit einem Marketingfachmann, einem Milchbauern und einem Metzger gründete er die Albbüffel GmbH. Heute floriert das Geschäft mit den Albbüffelprodukten und beschert den Gesellschaftern viel Aufmerksamkeit.
Der große schwarze Koloss namens Attila kaut genüsslich auf einem Grashalm herum. Attila ist ein Wasserbüffel und lebt auf dem Hof von Willi Wolf. Der Landwirt betreibt auf der Schwäbischen Alb bei Hohenstein – Meidelstetten eine Rinderzucht und eine Reitschule. Die Leute nennen ihn den „schwäbischen Cowboy“. Und das nicht erst, seitdem er Büffel hält. Schon vorher trieb er in Wildwestmanier mit Pferden und Hunden seine große Rinderherde über die Weiden. Deshalb war er der richtige Mann für Frank Schmitt von der Marketingagentur „büro maichle-schmitt“. Schmitt war auf der Suche nach Tieren gewesen, die in der Landschaftspflege ihre Dienste leisten, gleichzeitig aber auch hervorragende Produkte und somit gute Verdienstmöglichkeiten liefern. Dabei stieß er auf die europäischen Wasserbüffel. Es fehlte ihm nur noch ein mutiger und aufgeschlossener Landwirt, mit dem er die Idee in die Tat umsetzen konnte. Willi Wolf war schnell überzeugt, dass Büffelhaltung auf der Schwäbischen Alb Zukunft hat. Denn: Das Fleisch von den Jungtieren ist zart und gesund, die Milch lässt sich hervorragend zu Käse verarbeiten, das Leder ist sehr hochwertig. Diese Albbüffelprodukte könnten als „etwas Besonderes“ im Mittel- bis Hochpreissegment verkauft werden. Und die Landwirtschaft auf der Schwäbischen Alb braucht neue Ideen, um mit den landwirtschaftlichen Großbetrieben und Agrarfabriken anderer Regionen mithalten zu können.
Im Oktober 2005 brachte Willi Wolf die ersten jungen Wasserbüffel aus Rumänien auf die Schwäbische Alb. Gemeinsam mit Frank Schmitt entwickelte er die Idee weiter: In traditioneller Handarbeit sollten die verschiedenen Albbüffelprodukte auf der Schwäbischen Alb hergestellt werden. Natürlich alles in Bioqualität. Sie holten sich den Milchbauern Helmut Rauscher und den Metzgermeister Ludwig Failenschmid ins Boot und gründeten die Albbüffel GmbH.
Büffel sind keine Urform der Rinder
In der Jungsteinzeit waren die Wasserbüffel von Asien bis nach Mitteleuropa verbreitet. Die Tatsache, dass der Büffel damals auch in Baden-Württemberg heimisch war, bringt den Albbüffel - Gesellschaftern heute Vorteile. Spezielle Haltungsauflagen für Exoten, wie zum Beispiel Lamas oder Strauße, gibt es für Büffel nicht. Trotzdem war der Anfang nicht leicht. „Sie sind keine Rinder, das mussten wir erst lernen“, erzählt Willi Wolf. Neu war für ihn zum Beispiel, dass Büffel erst mit zwei Jahren geschlechtsreif werden. Rinder sind es schon mit zwölf Monaten. Das Fleisch älterer Büffel ist nicht mehr genießbar, bei Rindern können auch noch alte Tiere verwertet werden. Tatsächlich ist der Büffel keine Urform des heimischen Rindes, er gehört wie die Gattung der Rinder, der Afrikanischen Büffel und der Bisons zur Familie der Hornträger (Boviden). Ihren Namen haben die Wasserbüffel der Tatsache zu verdanken, dass sie Sumpf- und Flussgebiete bevorzugen und bei Hitze stundenlang in der Suhle liegen. Wer auf der Alb Büffel hält muss in den Sommermonaten dementsprechend mit Suhlen oder Wasserzugang für Abkühlung sorgen. Der Körperbau von Wasserbüffeln hat sich ihrem Lebensraum angepasst: Sie haben große, breite Klauen, auf denen sich ihr Gewicht gleichmäßig verteilt. So sinken sie bei weichem Untergrund nicht so sehr ein wie andere Tiere gleicher Größe oder gleichen Gewichts. Der Körper ist gedrungen, die Haut ist mit dicken Borsten bewachsen. Auffällig sind ihre langen, stark gerippten Hörner. Diese schwingen sichelförmig nach hinten oben und können bei alten Tieren eine Länge von über einem Meter erreichen. Büffel können bis zu 28 Jahre alt werden.
Wissenschaftler haben zwei unterschiedliche Theorien, warum die Büffel aus Mitteleuropa verschwunden sind. Die sogenannte Overkill-Hypothese besagt, dass jagende Eiszeitmenschen für das Aussterben einer Vielzahl der Großtierarten verantwortlich sind. Der anderen Theorie zufolge hat der einsetzende Klimawandel – ausgelöst durch die herannahende Eiszeit – den Rückzug dieser Tiere in die wärmeren Gefilde Indiens, Indonesiens und Südostasiens ausgelöst.
Büffel haben viele Talente
Der Büffel kam im frühen Mittelalter auf verschiedenen Wegen nach Europa zurück. Er wurde vorwiegend in Italien, Bulgarien und Rumänien, aber auch in den anderen Balkanländern angesiedelt. Dort wird er seither gehalten und gezüchtet. Die Bulgaren und vor allem die Italiener legen bei der Zucht ihrer Büffellinien großen Wert darauf, dass ihre Tiere so viel Milch wie möglich geben - wegen des beliebten Büffelmozzarella. Die Rumänen und Ungarn achten bei der Büffelzucht hauptsächlich darauf, dass die Tiere viel Fleisch ansetzen. Vor allem den rumänischen Züchtern ist es zu verdanken, dass der Büffel wieder auf der Alb grast. Sie beteiligen sich aktiv daran, den Büffel in Europa wieder zu verbreiten und verkaufen ihre Nachzucht gezielt an Landwirte und Hobbyzüchter weiter. Auf diese Art kamen Anfang der 80er Jahre die ersten Büffel nach Deutschland.
Mittlerweile ist auch die Forschung auf den Wasserbüffel aufmerksam geworden. Der wissenschaftliche Berater des Deutschen Büffelverbandes, Professor Hilmar Zeigert, fasst es in einem Referat zusammen: Büffel sind vielseitig einsetzbar, sei es zur Milchgewinnung, als Arbeitstier, zur Fleischproduktion oder in der Landschaftspflege. Denn Büffel fressen auch das, was Rinder stehen lassen. Betrachtet man die harten Fakten, kommt der Büffel bei weitem nicht an das Milch- und Fleischpotential eines Rindes heran. Eine gute Milchkuh gibt 40 Liter Milch am Tag, eine Büffelkuh etwa vier bis sieben. Vergleicht man die Menge an Fleisch, die nach dem Schlachten verwertet werden kann, liegt das Schlachtgewicht eines einjährigen Büffels etwa 20 Prozent unter dem Gewicht eines gleichaltrigen Ochsen. Trotzdem zahlt sich die Büffelhaltung aus. Das Fleisch von jungen Büffeln ist zart und feinwürzig. Es hat über 40 Prozent weniger Cholesterin als Rindfleisch, ist fettarm und sehr mineralsstoff- und vitaminreich. Dementsprechend liegt der Preis für Büffelwurst um ein Drittel höher, als der für andere Wurst. Ähnliches gilt für die Milch. Büffelmilch hat im Vergleich zu Kuhmilch bis zu 70 Prozent weniger Cholesterin. Trotzdem kann sie zu hervorragendem Käse verarbeitet werden, da ihr Fettgehalt doppelt so hoch ist, wie der von Kuhmilch. Büffelmozzarella kann für vier Euro das Stück verkauft werden, der einfache Kuhmilchmozzarella im Supermarktregal kostet zwischen 60 Cent und zwei Euro.
Albbüffelkäse und Albbüffelwurst im Zeichen der Regionalität
Um die Milch der Albbüffel kümmert sich die Hohensteiner Hofkäserei Rauscher. Der Betriebsleiter Helmut Rauscher war sofort von diesen ruhigen, anhänglichen Tieren begeistert. “Eines Tages ist Willi Wolf dann mit einer Herde Büffel bei uns auf dem Hof aufgetaucht“, erzählt der Landwirt. Das war im Dezember 2005. Damit die weibliche Nachzucht dieser Herde ausreichend Milch gibt, stammt der Bulle – er heißt Berlusconi – von einem italienischen Milchbüffel-Züchter. Familie Rauscher musste sich jedoch erst auf die Tiere einstellen. „Die Büffel sind zwar viel ruhiger als unsere Kühe. Aber wenn es nicht so läuft, wie sie das wollen, dann funktioniert nichts. Zum Beispiel kommen sie dann einfach nicht zum Melken.“ Doch in der Hohensteiner Hofkäserei läuft es gut. Aus der Milch, die die Rauschers täglich von den 30 Büffelkühen melken, fertigen sie Käse in mehreren Varianten. Vor allem der „Albzarella“ - ein Mozzarella aus Büffel- und Kuhmilch – ist ein regelrechter Publikumsliebling.
Für die Fleischverarbeitung in der Albbüffel GmbH ist Metzgermeister Ludwig Failenschmid aus St. Johann - Gächingen verantwortlich. Seine Intension war es, den Kunden etwas Ursprüngliches zu bieten. „Ich gebe zu, wenn jemand mit der Idee „Albmeerschweinchen“ zu mir gekommen wäre, hätte ich auch mitgemacht. Denn ich hatte das dringende Bedürfnis, die Leute zurück zu den Anfängen zu führen. Damit meine ich, dass die Menschen ein Tier als Ganzes, als Geschöpf sehen und darüber nachdenken sollen, was sie essen.“ Deshalb war er schnell bereit, Teil der Albbüffel GmbH zu werden. Die Tatsache, dass Büffel außerordentlich hochwertiges Fleisch liefern, kommt ihm natürlich sehr entgegen. In seiner Gächinger Landmetzgerei werden die Tiere geschlachtet und zu Wurst- und Fleischspezialitäten verarbeitet. Ganz im Zeichen der Regionalität verwendet die Landmetzgerei Failenschmid ausschließlich hiesige Zutaten wie z.B. Albkräuter, Albwachholder und Schlehen. Der „Albbüffelbraten im Albheu gegart“ gehört zu den Spezialitäten des Failenschmidschen Landgasthofs.
Die Landwirtschaft auf der Alb braucht Alternativen
Von Seiten der heimischen Landwirte stieß die Albbüffel GmbH zunächst auf Ablehnung. „Unsere Viehlieferanten hatten Angst, wir würden ihnen mit den Büffelprodukten zu viel Konkurrenz machen“ erklärt Ludwig Failenschmid die Skepsis der Bauern. „Aber die Realität sieht ganz anders aus: Viele Kunden kommen extra wegen der Büffelprodukte und nehmen dann auch noch andere Wurst- und Fleischwaren mit“ berichtet der Metzgermeister. Auch Willi Wolf kann bestätigen, dass die Büffel ein Publikumsmagnet sind. „Büffel - Gucken entwickelt sich zu einer Sonntagnachmittagsaktivität für viele Besucher“ erzählt er. Und Familie Rauscher sieht sich in ihrem Prinzip bestätigt, regionale Produkte regional zu vermarkten. Seit sie den Büffelkäse im Programm haben, läuft das Geschäft noch besser. Der Trend zu Bio, Slow-Food und sanftem Tourismus in der Region bringt frischen Wind auf die Alb und stellt für die hiesigen Landwirte eine gute Verdienstmöglichkeit dar. Denn durch die bestehenden Strukturen können die Bauern aus der Region nicht mit den Großbauern in Ost- oder Norddeutschland mithalten. Die Alb hat viele Hanglagen. Der lehmige, kalkreiche Boden führt zu kargem Pflanzenbewuchs auf Wiesen und Weiden. Die Ackerflächen sind klein und liegen relativ weit verstreut. Um konkurrenzfähig zu bleiben, braucht die Landwirtschaft auf der Alb gute Alternativen.
In diesem Fall heißen die Alternativen „Attila“ und „Berlusconi“. Alle Beteiligten sind sich einig: Die sanften Kolosse sind etwas Besonderes. „Gefährlich sind sie auf keinen Fall!“ berichtet Ludwig Failenschmid. Auch Helmut Rauscher ist überzeugt, dass der Umgang mit Büffeln fast leichter ist, als der mit Kühen: „Büffel sind sehr personenbezogen. Wenn sie sich mal für „ihren Menschen“ entschieden haben, sind sie treu und anhänglich“. Die Wissenschaft gibt den Praktikern Recht. Auch eine Studie des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg beschreibt die Tiere als friedlich, folgsam, empfindsam aber auch eigenwillig. „Gegenüber fremden Personen und Reizen reagieren sie neugierig bis furchtsam und man muss sich ihr Vertrauen erst erarbeiten. Dies belohnen sie dann aber mit einer dauerhaften Freundschaft“, heißt es von Ministeriumsseite. Willi Wolf bringt es auf den Punkt: „Büffel sind irgendwie wie wir Älbler…“.
Das Albbüffel-Marketing
Durch dieses kernige Naturell ist der Büffel für die Schwäbische Alb bestens geeignet. Er kann sich hervorragend an unterschiedliche Klimaverhältnisse anpassen und ist in der Ernährung anspruchslos. Das macht ihn auf den kargen Wachholderweiden der Schwäbischen Alb zu einem idealen Landschaftspfleger, denn Büffel können grobes und minderwertiges Futter gut verwerten und fressen dementsprechend auch Ampfer, Disteln und Brennnesseln, die sonst stehen bleiben. Die Nachzucht von Willi Wolfs ersten rumänischen Büffeldamen trägt den wohlklingenden Namen Bubalus albensis – in Anlehnung an die wissenschaftliche Bezeichnung Bubalus bubalis und ihre jetzige Heimat, der Schwäbischen Alb. Der Büffel hat sich bis heute seinen Urtier-Charakter erhalten. Und er lässt sich damit sehr gut vermarkten. Das ist das Spielfeld für Werbefachmann Frank Schmitt. „Wir haben etwas gesucht, das zu uns und zur Schwäbischen Alb passt“ erklärt er. „Da hat sich das „Urvieh Büffel“ einfach sehr gut angeboten.“ Der Marketingexperte erläutert die Säulen der Marke Albbüffel: „Regionaler Bezug, gesundes Produkt mit inneren Werten, Exklusivität. So können wir deutlich machen, dass es sich bei den Albbüffeln um etwas Besonderes handelt!“ Den regionalen Bezug haben die Gesellschafter über den Namen „Albbüffel“ hergestellt. Den Leuten sollte klar sein, dass es sich hier nicht um Exoten handelt, sondern um „alteingesessene Älbler“. Dass die Büffel exklusiv sind, sich also von der Masse der anderen landwirtschaftlichen Nutztiere abheben, davon kann sich jeder überzeugen, der sich diese Tiere einmal anschaut. Ihre ruhige Ausstrahlung und ihre majestätischen Bewegungen machen sie zu etwas Besonderem. Der Erfolg gibt Frank Schmitt Recht. Albbüffelfleisch wird zwischenzeitlich als Wurstkonserve deutschlandweit verschickt. Die Nachfrage süddeutscher Gastronomen nach Frischfleisch übersteigt bei weitem das Angebot. Das Gleiche gilt für die Käseprodukte. Aber die Albbüffel GmbH setzt auf tiergerechte und naturschonende Haltung. Deshalb orientiert sich die Herdengröße nicht an der Nachfrage, sondern an der zur Verfügung stehenden Weidefläche.
Das ganze Tier wird verwertet
Im Sinne ihres ganzheitlichen Ansatzes hat sich die Albbüffel GmbH Lizenznehmer gesucht, die Albbüffel-Produkte verarbeiten und mit dem Albbüffel-Logo werben dürfen. So wird zum Beispiel ein Großteil der Büffelhäute nach Reutlingen in die dortige Gerberschule geliefert. Das gegerbte Leder wird zu Büffel-Geldbeuteln verarbeitet. Eine Bäckerei verarbeitet die Büffel-Molke, die in der Hohensteiner Käserei anfällt, in ihrem Albbüffel-Brot. Es gibt handgemachte Seife mit Albbüffelmilch. Eine Schreinerei fertigt auf Bestellung Hocker und Sessel aus heimischem Kernholz, bespannt mit Albbüffel-Leder. Und der neueste Kontakt der Albbüffel GmbH geht in die große weite Welt der Designer-Mode: Ein Lederjackenhersteller hat sein Interesse an Albbüffel-Leder bekundet, die Gespräche laufen. Auch in der Kosmetikbranche könnte der Albbüffel bald gefragt sein. Albbüffelmilch hat eine stark rückfettende Wirkung und eignet sich deshalb als Pflegeprodukt für sehr trockene Haut. Frank Schmitt sieht gerade hier noch großes Potential für den Albbüffel: „Der Büffel in der Kosmetikszene – das wird der Renner!“ Und vielleicht sieht man dann Attila auf der Verpackung – genüsslich an einem Grashalm kauend.
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